Die Evolution des Menschen und die Herausforderungen der Moderne

Der Autor und Harvard Professor Daniel Lieberman hat in seinem Buch „The Story of the Human Body“ beschrieben, wie sich der menschliche Körper über Millionen von Jahren an die Bedingungen des Jäger- und Sammlertums angepasst hat. Unser Körper ist das Produkt einer langen evolutionären Geschichte, die geprägt war von körperlicher Aktivität, einer natürlichen Ernährung und einem Leben in kleinen, überschaubaren Gemeinschaften.

Der rasche soziale und technologische Wandel in den letzten Jahrhunderten hat zu einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen geführt, die als „Fehlanpassungen“ bezeichnet werden können. Dazu gehören Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und andere chronische Leiden.

Wir verbringen immer mehr Zeit in sitzenden Tätigkeiten, ernähren uns von hoch verarbeiteten Lebensmitteln und leben in dicht besiedelten Städten. Dieser „Nichtübereinstimmung“ oder Mismatches zwischen unserer evolutionären Anpassung und den Bedingungen der modernen Gesellschaft führt zu sogenannten „Krankheiten durch Fehlanpassung“, die durch diesen Widerspruch entstehen.

Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Zunahme von Zahnkaries bei frühen Ackerbauern im Vergleich zu Jäger- und Sammlergesellschaften. Wie Lieberman erklärt, ernährten sich die Ackerbauern hauptsächlich von Getreide, die bei der Verdauung Zucker freisetzen. Dieser Zucker ermöglichte es Bakterien, sich in der Mundhöhle zu vermehren und Karies zu verursachen – ein Problem, das bei den Jägern und Sammlern mit ihrer vielfältigeren Ernährung deutlich seltener auftrat.

Solche Fehlanpassungen zwischen unserer evolutionären Vergangenheit und den Bedingungen der Moderne stellen eine große Herausforderung für unsere Gesundheit dar. Um in der heutigen Welt gesund zu bleiben, müssen wir Wege finden, unseren Lebensstil wieder stärker an unsere evolutionären Anpassungen anzunähern.

Bewegung als Schlüssel zur Gesundheit

Lieberman betont, dass regelmäßige körperliche Aktivität eine entscheidende Rolle für die Stärkung des Immunsystems und die allgemeine Gesundheit spielt. Studien zeigen, dass moderates bis intensives anaerobes Training besonders effektiv ist, um die Immunabwehr zu verbessern.

Während des Trainings kommt es zu einer verstärkten Zirkulation von Immunzellen wie Neutrophilen, natürlichen Killerzellen und zytotoxischen T-Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Krankheitserregern spielen. Darüber hinaus werden anti-entzündliche Zytokine freigesetzt, die die Immunfunktion unterstützen.

Lieberman empfiehlt, sich regelmäßig aerob zu betätigen, etwa durch Joggen, Schwimmen oder Radfahren. Zusätzlich sollte man Krafttraining in den Trainingsplan integrieren, da auch dieses die Immunabwehr stärken kann.

Im Gegensatz dazu können intensive und langanhaltende Trainingseinheiten das Immunsystem vorübergehend schwächen und das Risiko für Entzündungen und Verletzungen erhöhen. Daher ist es wichtig, nach einer Belastung des Körpers ausreichende Maßnahmen zur Regeneration einzuplanen. 

Menschen, die im Job und in Ihrer Freizeit viel sitzen, sind deutlich anfälliger für Rückenprobleme als Menschen, die nur in Ihrem Job viel sitzen. Körperliche Aktivität in der Freizeit kann vieles kompensieren. Lieberman veranschaulicht das in einer praktischen Beobachtung von Naturvölkern, die teilweise bis zu 10 Stunden am Tag sitzen. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass sie immer wieder aufstehen. Kurzzeitiges Aufstehen regt den Stoffwechsel an und kann viele negative Folgen vermeiden.

Ernährung im Einklang mit der Evolution

Wie Daniel Lieberman in seinem Buch „The Story of the Human Body“ erläutert, unterscheidet sich unsere moderne Ernährung erheblich von der Ernährung unserer Vorfahren, den Jägern und Sammlern. Diese Nichtübereinstimmung zwischen unserer evolutionären Anpassung und der heutigen Nahrungsaufnahme kann zu gesundheitlichen Problemen führen.

Die Jäger und Sammler ernährten sich von einer Vielzahl an natürlichen, nährstoffreichen Lebensmitteln wie Früchten, Gemüse, Nüssen, Samen, sowie Fleisch und Innereien. Diese ausgewogene Ernährung lieferte ihnen alle wichtigen Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe, die für ein funktionierendes Immunsystem und eine gute Gesundheit erforderlich sind.

Im Gegensatz dazu besteht die moderne Ernährung oft aus hoch verarbeiteten Lebensmitteln, die reich an Zucker, Fett und Salz, aber arm an wertvollen Nährstoffen sind. Der hohe Zuckerkonsum kann dabei besonders problematisch sein, da er die Entstehung von Karies begünstigt – ein Phänomen, das bei den Jägern und Sammlern deutlich seltener auftrat.

Lieberman empfiehlt daher, sich wieder stärker an der Ernährung unserer evolutionären Vorfahren zu orientieren. Eine ausgewogene, nährstoffreiche Kost mit viel Obst, Gemüse, Nüssen, Samen und mageren Proteinquellen kann nicht nur das Immunsystem stärken, sondern auch das Risiko für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs senken. Dabei sollte der Konsum von Zucker und hochverarbeiteten Lebensmitteln möglichst reduziert werden.

Die geringere Pathogenexposition in der modernen Gesellschaft

Früher waren Menschen stärker Krankheitserregern ausgesetzt, was heute nicht mehr der Fall ist. Diese geringere Pathogenexposition wird als eine der Ursachen für den Anstieg vieler chronischer Erkrankungen gesehen. Durch unser moderne Hygiene, gerade im Kindesaltern, sind wir deutlich weniger Krankheitserregern ausgesetzt, unser Immunsystem wird weniger gefordert und trainiert.

Schlaf und Stressmanagement

Wie Daniel Lieberman betont, spielen Schlaf und Stressmanagement eine entscheidende Rolle für die Gesundheit und das Immunsystem. Studien zeigen, dass Schlafmangel und chronischer Stress das Immunsystem schwächen und die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen können.

Ausreichender, qualitativ hochwertiger Schlaf ist wichtig, damit das Immunsystem optimal funktionieren kann. 

Während des Schlafs werden wichtige Immunzellen wie T-Zellen und natürliche Killerzellen produziert und aktiviert.. Zudem werden entzündungshemmende Substanzen freigesetzt, die den Körper vor Infektionen schützen.

Chronischer Stress hingegen kann das Immunsystem belasten, indem er die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol fördert. Diese Hormone können die Aktivität von Immunzellen beeinträchtigen und die Entzündungsreaktion des Körpers verstärken.

Eine Studie von Lieberman und Kollegen zeigte, dass Studenten, die unter Prüfungsstress litten, eine erhöhte Anfälligkeit für Erkältungen aufwiesen. Der Stress schwächte ihr Immunsystem, sodass sie anfälliger für Krankheitserreger wurden.

Um Stress abzubauen und das Immunsystem zu stärken, empfiehlt Lieberman daher, regelmäßige Entspannungsübungen in den Alltag zu integrieren, wie Meditation, Yoga oder Achtsamkeitsübungen. Auch ausreichend Schlaf, soziale Kontakte und körperliche Aktivität können helfen, Stress zu reduzieren und die Gesundheit zu fördern.

Gesundheit durch Rückbesinnung auf unsere evolutionären Wurzeln

Wie Lieberman in seinem Buch „The Story of the Human Body“ darlegt, sind viele unserer modernen Gesundheitsprobleme darauf zurückzuführen, dass unser Körper nicht für die Bedingungen der heutigen Zeit evolutionär angepasst ist. Die Fehlanpassungen zwischen unserer evolutionären Vergangenheit als Jäger und Sammler und dem Leben in der modernen Gesellschaft führt zu sogenannten „Krankheiten durch Fehlanpassung“ oder im Englischen: „Missmatch Diseases“, die durch diesen Widerspruch entstehen.

Um in der heutigen Welt gesund zu bleiben, müssen wir Wege finden, unseren Lebensstil wieder stärker an unsere evolutionären Anpassungen anzunähern. Dazu gehört regelmäßige körperliche Aktivität, eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung, ausreichend Schlaf und der Abbau von Stress.

Quellen: 

The Story of the Human Body: Evolution, Health, and Disease Daniel E. Lieberman
(Pantheon Books, New York, NY; 2013)